Dorfstruktur und erhaltende Dorferneuerung

von Prof. Marie-Luise Niewodniczanska
NiewodniczanskaÜber viele Jahrhunderte vollzog sich das Bauen im ländlichen Raum innerhalb enger Grenzen. Die Baukonstruktionen entsprachen den gleichen Bedürfnissen und erfüllten die gleichen Funktionen. Sie waren einfach zu bauen mit den Materialien, die vor Ort zur Verfügung standen. So entstanden homogene Dörfer, die sich harmonisch in die Landschaft einordneten.

Jede Region hatte ihre eigene unverwechselbare Hauslandschaft mit gemeinsamen Zügen. Bei uns sind dies klare Grundformen, der zweigeschossige strenge Baukörper mit Satteldach, dessen Anbauten sich deutlich unterordnen.

Mit sicherem Instinkt verstand man es, sein Dorf, seinen Bauernhof dem bergenden Schutz der Landschaft anzuvertrauen und so zu platzieren, dass Baukörper und Landschaft eine harmonische Einheit bildeten. Betrachten wir einen alten Dorfkern, so fällt die Dichte der Bebauung auf, die im Gegensatz steht zum Flächenanspruch und Erschließungsaufwand der Neubaugebiete. Trotz ihrer Dichte haben die alten Ortslagen eine beachtliche strukturelle Vielfalt, die an den Häusern selbst, deren Details und an den Freiräumen nachvollziehbar ist. Von der Kirche über das Gasthaus, Plätze, Wege, kleine Hauskapellen und Gärten gibt es eine Menge kleinteiliger Strukturen, die gut erkennbar sind.

Deutlich ablesbar sind die Leitlinien der Landschaft, Bergkuppen und Bachläufe, Alleen und Hecken. Sie bilden Dorfbilder mit typischen Silhouetten, mit denen man sich leicht identifizieren kann. Dieses Dorfbild ist unverwechselbar. Es zeichnete sich aus durch menschlichen Maßstab und hohen Erlebnisreichtum.

Erst der Bauboom der Nachkriegszeit mit der Ausweisung vieler Neubaugebiete und dem Wunsch nach einem Neubau auf der grünen Wiese, stellt eine ernste Bedrohung für die über Jahrhunderte gewachsene regionale Baukultur dar. Das Bauen ohne regionalen Bezug steht im Widerspruch zum Reichtum unserer Baukultur und gefährdet unser bauliches Erbe. Bis heute entstehen vielerorts gleichförmige, schematisch geplante Neubaugebiete, die Kritik nach sich ziehen und Unbehagen verbreiten. Immer noch sind die meisten Neubaugebiete austauschbar, im Norden und Süden Deutschlands nahezu gleich. Diese negative Entwicklung bewirkt unter anderem:
  • die Trennung des Altdorfs vom Neubaugebiet durch fehlende siedlungsstrukturelle Integration
  • die Zerstörung der überlieferten Grundrissform und Parzellenstruktur des dörflichen Gesamtgefüges
  • einen unökologischen Flächenverbrauch mit kostenintensivem Erschließungsaufwand
Auch unsere Eifellandschaft wird mehr und mehr von solchen Gebieten mit ihren freistehenden Einfamilienhäusern geprägt. Diese Entwicklung ist weder für das Dorf an sich, noch für unsere Region zuträglich, denn die Eifel verliert ihre charakteristische Ausstrahlung. So leidet auch der Fremdenverkehr auf Dauer, denn zur „Lust auf Natur“ gehört die Freude an regionaler Baukultur untrennbar dazu.
Dem Unbehagen an gesichtslosen Neubaugebieten müssen wir mit gut gestalteten, harmonisch in die Kulturlandschaft eingebetteten Siedlungen begegnen, deren Einzelbauten die Eckdaten der Hauslandschaft übernehmen, ohne zu kopieren oder zu historisieren.

Vorrangig sollte dabei zunächst die Innenentwicklung des Dorfs betrieben werden. Nachverdichtung und Umnutzung sollte hier den Vorrang haben. Erst wenn die Nachfrage nach Wohnraum nicht mehr durch eine sinnvolle Innenentwicklung befriedigt werden kann, ist die Neuplanung eines Siedlungsteils erforderlich. Das Neubaugebiet sollte sich dann möglichst nahtlos an die bestehende Siedlung anschließen.

So wie man sich bei der Innenentwicklung an die vorhandene Bausubstanz anpasst, ist bei der Außenentwicklung, also der Planung des Neubaugebiets, die Einpassung in das vorhandene Gelände notwendig. Ungünstige Standorte, exponierte Lagen, Kuppen, Bachauen sind unbedingt zu meiden. Den Leitlinien der Topographie ist zu folgen, möglichst ohne steile Hanglagen zu tangieren. Villenviertel auf dem Hügel haben auf dem Lande nichts zu suchen...
Der Text von Frau Prof. Marie-Luise Niewodniczanska wurde der Broschüre "Bauen in der West-Eifel" entnommen. Die vollständige Broschüre steht zum Download auf den Internetseiten der Kreisverwaltung bereit. Hier erfahren Sie mehr...


Niewodniczanska

Von Frau Prof. Niewodniczanska ist auch ein Beitrag in den
Kreis-Nachrichten des Eifelkreises Bitburg-Prüm erschienen.

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